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BFH eröffnet Steuergestaltungsspielraum bei Vorabgewinnausschüttungen einer GmbH

Im aktuellen Urteil vom 28.09.2022 – VIII R 20/20 musste der BFH über die Frage befinden, ob einer natürlichen Person als Alleingesellschafter einer Mutter-GmbH Kapitaleinkünfte der ausschüttenden Tochter-GmbH zugerechnet werden, obwohl diese im Rahmen einer inkongruenten Vorabgewinnausschüttung ausschließlich an die Mutter-GmbH geflossen sind. An der Tochter-GmbH waren jeweils zu 50 % die natürliche Person sowie die Mutter-GmbH beteiligt.

Hintergründe der „inkongruenten Gewinnverteilung“

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Gewinnverteilung einer Kapitalgesellschaft richtet sich grundsätzlich nach dem im Gesellschaftsvertrag (bzw. der Satzung) genannten Verteilungsschlüssel. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung zur Gewinnverteilung, wird dieser entsprechend der gesetzlichen Regelungen in § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile verteilt. Erhält ein Gesellschafter einen geringeren Gewinnanteil, als ihm nach seiner Beteiligungsquote zustehen würde, handelt es sich um eine inkongruente, d. h. eine nicht der Beteiligungsquote entsprechende Gewinnverteilung.


Sachverhalt der BFH-Entscheidung

An der Tochter-GmbH war der Kläger zu 50 % als Gesellschafter beteiligt; er war zugleich deren Geschäftsführer. Weitere 50 % an der T‑GmbH hielt die Mutter-GmbH, an welcher (ebenfalls) der Kläger als alleiniger Gesellschafter beteiligt war. Der Gesellschaftsvertrag der T-GmbH enthielt keine Regelung zu einer Gewinnverteilung. Ebenso gab es keine Regelung, dass Entnahmen oder Vorschüsse auf den Jahresgewinn abweichend von den Beteiligungsverhältnissen möglich sind. Eine Öffnungsklausel, welche eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnverteilung zulässt, war ebenfalls nicht enthalten.


In den Streitjahren 2012 bis 2015 wurden von der Gesellschafterversammlung der T‑GmbH jeweils einstimmig Beschlüsse über Vorabgewinnausschüttungen gefasst, wonach allein die M-GmbH eine Vorabausschüttung erhielt, nicht jedoch der Kläger als 50%iger (Mit-)Gesellschafter. Dementsprechend gab der Kläger in den entsprechenden Jahren keine Einkünfte aus Kapitalvermögen in seinen privaten Einkommensteuererklärungen an.


Die Außenprüfung bei der T-GmbH hielt die gefassten Ausschüttungsbeschlüsse zivilrechtlich für nichtig und rechnete dem Kläger entsprechend seiner Beteiligungsquote (50 %) ausgeschüttete Beträge zu. Konsequenterweise liege – in dem nicht liquiditätsmäßig zugeflossenen 50%igen Gewinnanteil – eine Einlage des Klägers im Wege des abgekürzten Zahlungswegs in die M-GmbH vor, wodurch sich die Anschaffungskosten auf seine Anteile an der M-GmbH erhöhten. Sofern der Beschluss zivilrechtlich wirksam sein sollte, läge ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor mit derselben Rechtsfolge.


Das Finanzamt änderte daraufhin die Einkommensteuerbescheide und setzte darin die Kapitaleinkünfte des Klägers an. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren des Klägers hob das Finanzgericht die geänderten Einkommensteuerbescheide auf und gab der Klage statt. Das Finanzamt legte anschließend – erfolglos – Revision beim BFH ein.


Begründung des BFH

Der BFH sieht die einstimmig gefassten (Vorabgewinn-)Ausschüttungsbeschlüsse als zivilrechtlich wirksam an, so dass beim Kläger keine Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen. Die Beschlüsse sind als punktuell satzungsdurchbrechende Ausschüttungsbeschlüsse anzusehen und mangels Anfechtbarkeit (infolge der einstimmigen Beschlussfassung) zivilrechtlich bindend und wirksam. Es handelt sich lediglich um punktuelle satzungsdurchbrechende Beschlüsse, da durch die Beschlüsse zwar die Satzung verletzt, jedoch nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert wird. Insgesamt liegen somit offene Ausschüttungen vor, da diese auf zivilrechtlich wirksamen Gesellschafterbeschlüssen beruhen. Folglich sind die Ausschüttungen nur bei demjenigen Anteilseigner zu besteuern, dem tatsächlich Gewinne zugeflossen sind – mithin der M‑GmbH.


Weder erzielt der Kläger eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste verdeckte Gewinnausschüttung, noch liegt ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die vollständige Verlagerung der Gewinnausschüttung auf die M-GmbH beim Kläger zu keinerlei steuerlichen Vorteilen führt. Bei einer späteren Gewinnausschüttung von der M‑GmbH an ihn würde er denselben Besteuerungsregeln unterliegen, als würde die T‑GmbH direkt an ihn ausschütten – in toto wird das gesamte Ausschüttungsvolumen wegen der sog. Schachtelstrafe des § 8b KStG in Höhe von 5 % sogar geringfügig reduziert.

Fazit

Wurde ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst und ist folglich kein Gesellschafter mehr zur Anfechtung berechtigt, ist der Ausschüttungsbeschluss zivilrechtlich wirksam und steuerlich anzuerkennen – so jedenfalls der BFH im vorliegenden Urteilssachverhalt.

Praxishinweis

Eine inkongruente Vorabgewinnausschüttung kann trotz fehlender Regelungen in der Satzung von einer Gesellschaftervollversammlung einstimmig beschlossen und steuerlich anerkannt werden. Dies kann im Einzelfall ein interessantes und ggf. zeitsparendes Gestaltungsinstrument darstellen, sofern die Satzung nicht ohnehin eine Öffnungsklausel für eine abweichende Gewinnverteilung enthält. Aber Vorsicht vor der Finanzverwaltung ist sicherlich geboten, wo doch auch bei inkongruenten Gewinnausschüttungen auf Basis einer gesellschaftsvertraglichen Öffnungsklausel regelmäßig wirtschaftliche Gründe für die abweichende Gewinnverteilung gefordert werden!

Robert J. Wiemeyer

Steuerberater Partner

E-Mail:
robert.wiemeyer@falk-co.de


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