Ertragsteuerliche Organschaft – die Einlagelösung als großer Wurf?!
Ab 2022 findet ein methodischer Wechsel in der praktischen Handhabung ertragsteuerlicher Organschaften statt. Das bisherige Modell der sog. Ausgleichsposten wird durch ein vermeintlich schlankeres abgelöst. Seit Kurzem kursiert hierzu der Entwurf eines BMF-Schreibens, das die Verwaltung den Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet hat.
Hintergrund der Neuregelung
Grundsätzlich ist das Vorliegen eines wirksamen Gewinnabführungsvertrags eine zentrale Voraussetzung für die Anerkennung der ertragsteuerlichen Organschaft. Demnach ist der gesamte von der Organgesellschaft erzielte Gewinn an die Organträgerin abzuführen (Abführungsbetrag). Durch die Gewinnabführung beträgt der handelsbilanzielle Gewinn der Organgesellschaft regelmäßig EUR 0,00.
Aus steuerlicher Sicht muss der Organträgerin zunächst der gesamte Gewinn laut Steuerbilanz zugerechnet werden. Dieser Gewinn wird vom erwähnten Abführungsbetrag – aufgrund bilanzsteuerlicher Sonderregelungen – regelmäßig abweichen. Konkret kann dabei der steuerliche Gewinn entweder höher (sog. Minderabführung) oder geringer (sog. Mehrabführung) ausfallen als der handelsrechtliche Abführungsbetrag. Der Beitrag beschränkt sich im Folgenden auf solche Minder- bzw. Mehrabführungen, deren ursächliche Geschäftsvorfälle während des Bestehens der Organschaft stattgefunden haben (sog. organschaftliche Minder- bzw. Mehrabführungen).
Das Problem: Diese Differenzen auf Ebene der Tochtergesellschaft dürfen sich auf Ebene der Muttergesellschaft nur ein einziges Mal steuerlich auswirken. Konkret ist sicherzustellen, dass auf Ebene der Organträgerin nicht einerseits laufende Gewinne aus dem operativen Betrieb der Tochter während des Bestehens der Organschaft besteuert werden und andererseits ein Beteiligungsgewinn im Zeitpunkt der Veräußerung.
Die alte Ausgleichsposten-Lösung
Bisher wurde bei organschaftlichen Mehr- oder Minderabführungen ein entsprechender passiver oder aktiver Ausgleichsposten erfolgsneutral in der Steuerbilanz des Organträgers (Muttergesellschaft) gebildet, um betragsmäßig zu erfassen, welche Gewinne bei der Organträgerin bereits versteuert sind bzw. noch nicht versteuert wurden.
Im Zeitpunkt der Veräußerung der Organgesellschaft erfolgte dann eine gewinnwirksame Auflösung des Ausgleichspostens mit der Folge, dass (i) bislang nicht versteuerte Gewinne nachversteuert wurden bzw. (ii) bereits versteuertes Einkommen steuerfrei gestellt wurde.
Das Ende der alten Lösung
Im Wirtschaftsjahr, das in 2022 beginnt, sind alle nach der bisherigen Lösung (noch) bestehenden Ausgleichsposten aufzulösen. Im Gegenzug zur Auflösung von aktiven Ausgleichsposten erhöht sich der Buchwert der Beteiligung der Organgesellschaft in der Steuerbilanz der Organträgerin (Aktivtausch); die Auflösung von passiven Ausgleichsposten mindert den Buchwert der Beteiligung entsprechend (Bilanzverkürzung).
Zunächst stellt die Auflösung daher einen erfolgsneutralen Vorgang dar. Jedoch ergibt sich bei späterer Veräußerung der Beteiligung eine gewinnwirksame Auswirkung aufgrund des höheren bzw. niedrigeren Beteiligungsbuchwerts.
Praxishinweis
Zu beachten ist, dass der Beteiligungsbuchwert durch die Auflösung des Ausgleichspostens nicht negativ werden kann. Sollte daher ein passiver Ausgleichsposten die Summe aus aktiven Ausgleichsposten sowie dem Beteiligungsbuchwert übersteigen, liegt insoweit ein veräußerungsähnlicher Ertrag vor. Dieser ist steuerlich nach dem körperschaftsteuerlichen Schachtelprivileg bzw. dem Teileinkünfteverfahren begünstigt. In derartigen Fällen ist zur Abmilderung der Besteuerungsfolgen auch die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage denkbar, die über 10 Jahre gewinnwirksam aufgelöst wird.
Die neue Einlagenlösung
Fortan wird die alte Regelung durch eine sog. Einlagenlösung ersetzt. Die Neuregelung ist erstmals auf nach dem 31. Dezember 2021 verursachte organschaftliche Mehr- und Minderabführungen anzuwenden.
Danach führen organschaftliche Minderabführungen zu einer (steuerlichen) Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft. Gleichzeitig erhöht sich in der Steuerbilanz der Beteiligungsbuchwert der Organgesellschaft beim Organträger. Organschaftliche Mehrabführungen sind aus steuerlicher Sicht als Einlagenrückgewähr zu behandeln und verringern den Beteiligungsbuchwert entsprechend. Die Erhöhung bzw. Minderung des Beteiligungsbuchwerts ist jeweils außerbilanziell zu korrigieren und stellt so insgesamt einen einkommensteuerneutralen Vorgang dar.
Organschaftliche Mehr- und Minderabführungen erhöhen bzw. vermindern das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft. Mehrabführungen haben einen Direktzugriff auf den Bestand des steuerlichen Einlagekontos, d. h. dass diese vorrangig vor anderen Leistungen dessen Bestand mindern. Dadurch kann der Bestand des Einlagekontos auch negativ werden. Im Kern wird damit die Vermögensverschiebung zwischen Organgesellschaft und Organträgerin abgebildet.
Fazit
Durch die neue Einlagenlösung dürfte es in der Tat zu einer Verschlankung der ertragsteuerlichen Organschaft kommen. Die lästige Fortentwicklung der steuerlichen Ausgleichsposten kann fortan unterbleiben. Auch ist es sachgerecht, die Gewinnunterschiede direkt dem Wirtschaftsgut „Beteiligung an Organgesellschaft“ zuzuordnen und dort entsprechend bilanziell abzubilden. Gleichwohl wird es erwartungsgemäß auch Anwendungsfälle geben, für die sich zunächst eine gängige Praxis finden muss, beispielsweise bei mittelbaren Organschaften, wo sich die Verwaltung für die sog. „Kettenlösung“ unter Einbezug der zwischengeschalteten Gesellschaft auszusprechen scheint. Wie das finale BMF-Schreiben insbesondere in diesem Punkt aussehen wird, bleibt abzuwarten.

